Leseproben

Autoporträt
Als Schütze kam ich auf die Welt,
die liegt im argen rund um mich;
da mußt schon einer sein, der bellt,
sonst gehst zugrunde jämmerlich.

Hab Pfeil und Bogen mitgekriegt
und ziele halt, so gut es geht,
auf Lügner, denn was liegt, das pickt.
Noch schlimmer wär's, gäb's kein Pamphlet.

Für diese Karawankenwächter
werd' ich gewiss erst akzeptabel,
wenn ich in meinem Tschuschengrabl
verlässlich halte meinen Schnabl.

* * *

Nur schad’, dann seh ich sie nicht, die mich hassen,
wie tief sie ihre Nasen hängenlassen …


Zwei Lager
Schaust du die Welt dir mal ganz genau an,
zweierlei Bühnen siehst drauf - simultan:
Die einen in Lumpen, die andren in Goldbrokat
üben tagtäglich am Menschen Verrat.
Jene verhungern, ohn' Arbeit und Lohn,
diese verrecken am Fett wie zum Hohn.

Schaust du die Welt dir mal ganz genau an,
zweierlei Bühnen siehst drauf - simultan:
Jünger des Marx gibt es gute und schlechte,
wenige aufrechte, zu viele Knechte.
Arbeiter, ehrlich, für andere da;
falsche Genossen, im Mund nur Bla-bla.

Schaust du die Welt dir mal ganz genau an,
zweierlei Bühnen siehst drauf - simultan:
Zweierlei Christen hat Gott uns erschaffen:
Mutter Theresas - tartuffische Affen.
Sündlose Arme, in Angst vor dem Höllentod;
Sündenpfuhlscheiche und Prasser vor Gott.


Mein Kater, der hatte ein Kätzchen
Simon Jenko auf kärntnerisch

Mein Kater, der hatte ein Kätzchen,
er nannte es ljubica, Schätzchen;
verbrachte die Nächte bei ihr
zuweilen bis morgens um vier.

Zehn Kätzchen beschert er der Schönen
fünf Töchterlein neben fünf Söhnen.
Nicht alle, oh weh, glichen ihm,
o Leute, das war für ihn schlimm.

Sein Schätzchen war feurig, ei ei!
Es hatte Geliebte gleich zwei.
Nebst Kater noch Mutzel Miau,
auch der war ganz heiß auf die Frau.

Der Kater, der bebte vor Wut,
dass Kätzchen mit Mutz so was tut!
»So bin ich,« sagt sie ihm gefasst,
»wirst sehn, dass noch mancher mir passt!

So ist halt die Liebe, miau,
sehr frei hier im Lande der Drau.
Sag, was ist denn da schon dabei,
erhäng dich und mach kein Geschrei!«

Politična pesem, grda pesem/Politisch Lied, ein garstig Lied. Drava, 2007.
[url=http://www.drava.at]http://www.drava.at[/url]

Chocoyo
Chocoyo
stolzer stoiker
mein grüner verstümmelter freund
mit deiner schwarzroten feder auf der linken seite
mich schmerzen deine zugeschnittenen flügel
dein trauriger krummer schnabel
gähnt verdrossen
schwarzen kummer
in den steinernen flur
wenn hinter der mauer der nachbarvilla
der hahn jubiliert
über den feierlich rosaroten himmel von Managua
widerschein des flammenden pazifiks
wenn die krächzenden zanates
Nicaraguas krähen
wie schwarze pfeile
von der kokospalme zur bananenstaude schießen
und von dort zum mangobaum
am ende der straße

Chocoyo
stolzer stoiker
mein grüner verstümmelter freund
mit deiner schwarzroten feder auf der linken seite
gleite doch wieder
den dünnen stahlring hinunter
so gekonnt
wie gestern abend
und kreisch wieder MUERE SOMOZA1
daß mir ein schaudern
den rücken hinunterläuft
wie gestern abend
damit ich spüre
wie Managua erschauderte
als die sirenen aufheulten
des blutigen diktators
1. Stirb, Somoza!

Deutsch von Werner Hörtner


Nicaragua mein geliebtes
land der grünen und blauen sterne
die klarer funkeln am nächtlichen himmel
als sonstwo in der weiten welt
land der gleißenden tropensonne
mit der erfrischenden brise
vom pazifik
Nicaragua mein gelobtes
land der süßen mangonen
auf langen stengelfäden
geduldig reifend
land der unbekümmert schwatzenden schwärme
von grünen papageien
auf den noblen platanen des südens
und den roten flammenbäumen
Nicaragua mein geschätztes
kein einziger deiner hunde bellt mich an
keiner versucht mich zu beißen
die maus auf dem regal
zum greifen nahe vor meinen augen
knabbert am reis
meiner täglichen opfergabe
ohne mich eines blickes zu würdigen
und die cucarachas vor dem waschbrett
in der engen dunklen diele
die ich barfuß so gefürchtet
in den ersten tagen
trippeln respektvoll in ihre ecken
und warten nachsichtig in ihren verstecken
bis ich mich gewaschen habe

Nicaragua mein neues
buch der erfahrungen

ich habe umzulernen
aus armut wächst dein edelmut
aus erniedrigung dein schöner stolz
aus überwindung der angst deine stärke
aus dem sieg über den schrecken deine zuversicht
und deine liebe für patria libre
unermeßlich
wie die tiefen des pazifiks

Nicaragua du hast nichts zu lachen
und hast doch
das schönste lächeln der welt
wie du mich
damit wärmst

Deutsch vom Autor

Nicaragua mein geliebtes/Nikaragva moja ljubljena. Drava, 1988.
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Zu laut
Zu laut sind sie
und viel zu viele sind
zwischen dir und mir
wir hören einander nicht mehr
sie haben uns auseinandergedrängt
jetzt stehen wir an getrennten Ufern

Was nun?

Hören
auf unausgesprochene
Worte
still wie die Schafe
am Anger hinter dem Viktringer Stift
wie das Lüftchen im Ahorn
unseres Gartens
das ihn durchhaucht
und in den Blättern erzittert

Still wie am Himmel die Wolke
über dem dunkelgrünen Rund
des Reauzer Sees
wenn darin heimlich
ihre Verschwiegenheit atmet
und daraus gedankenversunken
ihre Weisheit erstrahlt

Ersehnte Stille
Zaubergeflecht aus
lautlosen Worten:
öffne dich ihnen mit mir
du
meine Geliebte

Deutsch von Josef Strutz und Janko Messner


Irgendwann
Irgendwann
ist meine Seele
abgestumpft
mein Mund verstummt
weil ihm
die Worte fehlen
für all das Böse
um mich
die Worte für all den Stumpfsinn
die stickige Luft vom Tal
für das Derbe und Rohe
das mich von früh bis spät
ankläfft in artigen Posen
aus Zeitungen, vom Bildschirm

Irgendwann
kocht mein Blut
nicht mehr
bei ihrer brutalen Großmaulerei
der Heuchelei
der Augenzwinkerei
und unsrer abgefeimten Liebedienerei

Irgendwann
wird meine Seele
keine Kraft mehr haben
für den Zorn
über das bodenlose, grenzenlose
Miserere
im Kampf um den Fortbestand meines Volks
in Wahrheit ein einziges
unerhörtes
Ach und Weh

Ein Weh mir
ein Weh dir
ein Weh uns allen

Irgendwann
ist meine Seele
abgestumpft
Frieden wird sie haben
Ruh

Deutsch von Josef Strutz und Janko Messner


Ebenthal bei Klagenfurt
Kraftlose Sonne irgendwo
zwischen Mittagskogel und Dobratsch
Reifer Kukuruz
mit geknickten gelben Kolben
Schwarzes Gewölk aufgetürmt
über der Gerlitzenhöhe
Ein Vogelschwarm
auf den Baumskeletten
der Allee
Gefieder an Gefieder
schrilles Gekrächze
verblichenem Sommer Abschiedsgesang
durchdringend
fiebrig

Kurz vor der Wanderschaft
aus den kühlen Obstgärten
in den warmen Süden

Kurz vor der Aussiedlung
vom warmen Backofen
in den kalten Nordwind
1942

Am 14. April 1942 wurden von den Nazis 1.097 Kärntner Slowenen wegen »Volks- und Staatsfeindlichkeit, Hochverrat und kommunistischer Weltanschauung« von ihren Bauernhäfen vertrieb'en, ins Sammellager Ebenthai bei Klagenfurt gesteckt und sodann in Viehwaggons nach Hitlerdeutschland verfrachtet.

Deutsch von Josef Strutz und Janko Messner

Gedichte. Pesmi. Canti. Drava, 1995.
[url=http://www.drava.at]http://www.drava.at[/url]